Podcast Stufe Zwei
Der vorherige Teil über Podcasts ging in der Hauptsache auf die technischen Aspekte ein. Und wie so übliche Lernkurven verlaufen, gibt es nach der realen Produktion so einiger Sendungen neue Erfahrungen. Diese bei mir gesammelt aus der Produktion von Podcasts über Musik. Nicht verschweigen sollte ich, dass mein ursprünglicher Berufswunsch einmal Toningenieur war, ich 40 Jahre Elektronik-Erfahrung verbuchen kann und eine Lehre als Rundfunk- und Fernsehtechniker in den goldenen Siebzigern so manche technische Frage erst gar nicht aufkommen lässt.
Noch einmal Technik
Der aktuelle Setup sieht zur Zeit so aus:
- Das »Studio« befindet sich im Keller, der mit Dämmmaterial und Vorhängen auf eine trockene Akustik getrimmt wurde. Es ist tatsächlich mein ruhigster Raum, von einem Abwasserrohr abgesehen, aber ab ca. 20:00 Uhr herrscht Ruhe. Optimale Zeiten sind Fußball-Finale oder -Halbfinale, da hat man bald 45 Minuten Bewegungsarmut im Haus. Auch der Tisch ist mit einem dicken Handtuch bespannt, gegen Reflektionen.
- Vom Mikro geht es in ein Behringer-XENYX 1204-Pult, das sich tatsächlich als Produkt mit den besten Resultaten bei geringen Kosten gezeigt hat. Selbst das teurere Alesis-Pult rauschte mehr und hatte zu wenig Routingmöglichkeiten zum Verteilen der Signale aus Mikro oder Recorder auf Kopfhörer, zum Abhören und Mithören. Und genug Kanäle und Busse kann man selbst beim Podcast nie haben. Nicht alles, was billig ist, ist schlecht. Eine Kurzeinführung zu Mischpulten findet sich in Just Chords.
- Diverse Mikrofone von Thomann aus dem unteren und mittleren Preissegment kamen zum Einsatz. Der Nachteil billiger Kondensator-Mikros ist, dass sie rauschen. Und das nicht zu knapp. Das einzige Mikro, das nicht rauschte, war mein gutes, altes, dynamisches Shure SM57, aber das taugte nicht für Sprachaufnahmen. So musste am Ende doch investiert werden. Eine neue Lernkurve begann.
- Wenn man sucht, kann man leicht in die falsche Richtung suchen. So kommt man dann zu einem Mikro für Gesang und Instrumente statt zu einem Sprecher-Mikrofon. Das brachte das Røde NT1-A ins Haus. Das Røde NT1-A ist absolut ruhig, kein Rauschen und ein unglaublich guter Klang. Dafür bekommt man zu diesem Preis auch eine sehr gute Spinne und einen stabilen Pop-Filter dazu. Der Nachteil des sehr fein auflösenden NT1-A ist der, dass das Mikro empfindlich genug ist, damit selbst ein grummelnder Magen deutlich hörbar auf die Aufnahme kommt. Und noch dazu jeder Schmatzer, jedes Lippenlecken, selbst nur Speichelgeräusche beim Sprechen. Schöner Klang, feinste Auflösung, aber für das Einsprechen eines Podcastes schon zu empfindlich. Für Gesang sicher optimal. Für Einsprechen von Texten weniger.
- Daher ist die ideale Lösung ein Mikro, das genau für den Sprecheinsatz im Rundfunk gemacht wurde: das Røde Procaster ist ein dynamisches Mikrophon mit idealen Eigenschaften. Mehr dazu unten im Video. Aber damit kam ein neues Problem auf den Tisch. Das Procaster produziert nur, da dynamisch und passiv, einen sehr geringen Ausgangspegel. So gering, dass der Kanal des Mischpultes auf maximale Verstärkung aufgezogen werden muss. Das Ergebnis ist das gleiche wie mit den billigen Konsensatormikros: Rauschen. Als Abhilfe dient nun ein Mikro-Vorverstärker, der ART MP Tube. Auch der muss ziemlich aufgezogen werden, aber es bleibt im akzeptablen Bereich. Das Finden des “richtigen” Mikros war die längste Lernkurve.
- Dynamische Mikrofone haben einen Nahbesprechungsefekt. Je näher am Mikro man spricht, desto stärker werden die Bässe hervor gehoben. Kann ein gewollter Effekt sein, in der Regel ist das nicht so. Es erfordert einiges Experimentieren, die richtige Entfernung zum Mikro zu finden, in der es nicht dröhnt, die Stimme jedoch klar und deutlich herüber kommt. Der Tipp aus dem Video unten war Gold wert.
- Brummschleifen können grausam sein, sie entstehen aus der Verkettung von Masse-Leitungen, die dann in der Luft herum streunende Netzspannungssignale einfangen und ins Pult leiten. Vom Behringer-Pult läuft daher das Signal in einen Behringer UCA202 Audio-USB-Adapter. Der klingt besser, als sein Preis vermuten lässt. Und er trennt galvanisch Pult und PC, auf dem mit Goldwave aufgenommen wird. Der PC ist ein Netbook, das keinen Lüfter hat und die Aufnahmen nicht stört. Die Performance reicht allemal, und der Bildschirm für das Aufnehmen auch.
- Ist noch kein Netbook oder leiser PC vorhanden, kommen eher ein Recorder wie der Zoom H2n oder vergleichbare Geräte in Frage. Selbst das billige Olympus Diktiergerät hat für 70 Euro eine erstaunlich gute Audioqualität über den externen Mikrofoneingang. Es muss als nicht immer Highend-Equipment sein, mit etwas Probieren geht es auch billig und gut. Weil oft in den billigen Geräten aus Produktionsgründen die gleichen Bauteile stecken wie in teuren.
Texte sind komplett vorgeschrieben, das ist Geschmackssache. Wenn man Texte schreiben kann, die wie laufende Sprache klingen, und diese auch möglichst frei und natürlich sprechen kann, ist es die sicherste Lösung. Die Aufnahme der Texte in einem Rutsch oder in getrennten Abschnitten landet auf einem USB-Stick, das Schneiden erfolgt später im Wohnzimmer an einem i5-PC und mit einem 22-Zoll-Schirm geht das doch komfortabler.
Produktion
Die Produktion ist nicht nur das Zusammenfügen der einzelnen Elemente. Ziel soll ja auch sein, die gesamte Aufnahme gut klingen zu lassen. Dazu gehört, dass die Gesamtaufnahme nicht nur mit Studiomonitoren oder im Auto passt, sondern mit möglichst allem, was man als Wiedergabemöglichkeiten hat. Das betrifft das Verhältnis der Lautstärken von Sprache und Musik, oder anderen Elementen, als auch die Frequenzgänge. Gerade am Anfang sollte man seine Produktionen über verschiedene Anlagen probehören, bevorzugt die, die für den Hörer zum Einsatz kommen wie PC-Lautsprecher oder Stereoanlage. Es nervt, wenn man die Stimme kaum versteht, aber die Musik brüllt, oder umgekehrt. Daher die eher aufwändige Bearbeitung bei der Produktion. Dröhnen oder spitze Höhen sind nervige Komponenten, die gezielt bearbeitet werden müssen. Was manche Podcasts so nervig oder langweilig macht, sind nicht immer nur die Inhalte. Unebener Schnitt und schlechter Klang sind noch viel schlimmer.
Wer glaubt, er lädt sich ein paar VSTi-Plugins herunter und macht das alles mal ebenso, liegt falsch und degradiert alle Toningenieure. Ich habe jedenfalls reichlich Stunden gebraucht, zu klanglich und schnitttechnisch akzeptablen Ergebnissen zu kommen.
Schnitt
Bei der Aufnahme habe ich einen Zettel zur Hand, auf dem ich mir die Zeiten der aufgenommenen Abschnitte notiere. Geht ein Teil daneben, wird die Zeit durchgestrichen und neu aufgenommen. So braucht man beim Schnitt nicht zu viel zu suchen.
Die Textelemente werden mit Goldwave, oder Steinberg WaveLab, aus der Gesamtaufnahme in einzelne Abschnitte als .wav-Dateien isoliert und auf maximale Aussteuerung gezogen. Bei Goldwave heißt das Maximize volume. Über die Textaufnahmen läuft jetzt ein Compressor, der den Pegel gleichmäßiger macht, Goldwave hat einen passenden Preset Effects|Dynamics & Compressor|Reduce peaks, dann wird der Pegel noch einmal auf maximale Aussteuerung gebracht und hat eine überschaubare Dynamik.
Die Musik wird ebenso mit Goldwave aus MP3 ins WAV-Format konvertiert und erfährt ein Heraufsetzen auf 95% des maximalen Pegels. Hier ist etwas Vorsicht geboten, denn gerade neuere Aufnahmen sind oft so hochkomprimiert, dass sie in der Lautstärke mit alten Aufnahmen schwer in gleichen Höreindruck zu bringen sind.
Für das Zusammenfügen von Musik, Text, Opener und Closer kommt nun n-Track zum Einsatz. n-Track ist keine Freeware, aber kostet nur ein Taschengeld. Dafür sind die Möglichkeiten und Funktionen, einschließlich der Oberfläche, kostenlosen Programmen wie Audacity weit überlegen. Alleine die vollständige VSTi-Integration ist ein Segen. Die einzelnen Elemente wie Text und Musik werden nun in zwei bis drei Spuren platziert und passend mit Envelopes – Hüllkurven für Laustärken – zum eventuellen Ein- und Ausblenden belegt. Im Screenshot von n-Track oben sieht man das genauer. Das alles ist keine Rocket Science, aber auch nicht trivial. Bevor der erste Podcast entsteht, mit dem man zufrieden ist, können viele Stunden mit Kämpfen vergehen. Weil etwas nicht funktioniert, nicht klingt oder beides.
Das Ergebnis landet aus n-Track als WAV-Datei auf der Platte und wird mit RazorLAME in das MP3-Format gebracht. Sender haben gerne 320 kBit/s, 44.1 kHz und Constant Bitrate. Fertig. Wären da nicht die Tricks, auf die man nicht sofort kommt.
Plugins
Plugins sind Programme, die nicht eigenständig laufen, sondern in Tools wie Audacity oder n-Track eingebunden werden. Sie filtern oder verändern die Signale einzelner Tracks oder des Gesamtsignals mit Hall, Compression oder vielen anderen Effekten. Logisch kann man sie sich wie ein Effektgerät vorstellen, das zwischen Instrument und Verstärker eingeschleift wird.
Die Plugins legt man am besten in ein Verzeichnis seiner Wahl, z. B. C:\\Programme\VSTi und sammelt dort in Unterverzeichnissen seine Lieblinge. Vergessen darf man nicht, dem Multitracker n-Track oder Audacity mitzuteilen, wo denn die Plugins stehen. Und es sollte einen Rescan für die VSTi-Plugins geben, die dann in der Effektliste auftauchen.
Diese Plugins sind das A und O der Produktion. Ob man nun ein bisschen Hall braucht, oder einen Equalizer oder Limiter, die Plugins erledigen alle diese Aufgaben. Doch nicht alle Plugins sind gleich, manche Freeware-Versionen können grottenschlecht sein. Eines der besten Hall-Plugins ist Ambience. Das kostet nur ein paar Euros, aber dafür bekommt man dann auch fast professionelle Tools. Freie VSTi-Plugins sucht man über Google, oder auch direkt bei Cakewalk.
Tipps und Tricks
Auf Nahbesprechungseffekte, Rauschen und solche Fußangeln bin ich schon oben eingegangen. Fängt man mit der Podcast-Produktion an, erwartet man nicht die vielen Schwierigkeiten, die auftauchen. Rauschende Mikros und Pulte, Brummschleifen, Geräusche aus der Umgebung sind Dinge, die man in den Griff bekommen muss. Doch ein paar Dinge weiß man erst, wenn man auf die Nase gefallen ist …
Voice Processor
Wer schon mal einen bekannten Moderator aus dem Radio live gehört hat, merkt den Unterschied. Aus dem Studio klingt es satter und breiter. Was daran liegt, dass im Studio immer ein Voice Processor mitläuft, der dem eigentlichen Sprachsignal zusätzliche Obertöne, Formanten, hinzu fügt. Dadurch bekommt die Stimme mehr Klang. Ein solches Gerät ist für den privaten Produzenten kaum erschwinglich. Aber es gibt sogar kostenfreie Alternativen als VSTi-Plugins. Eines der besten ist JB Broadcast, ein Voice Processor, der leider nicht mehr verfügbar ist, weil der Entwickler neue Plugins geschrieben hat. Daher hier mal als Download abgelegt. Weiterhin verwendbar sind After und VocEq sowie Rescue und RescueAE. Die letzten Plugins sind noch verfügbar und werden als Mastering Tools in den Track der Moderation als Effekt eingefügt. Ein wenig Probieren und Spielen muss sein, um für seine Stimme das Beste herauszuholen. Bei JB Broadcast nutze ich, mit tiefer Stimme und mittlerer Lautstärke, den Preset Normal, schalte die Pegelregelung (AGC) aus und setze den Postgain auf -1 dB.
Pegel, Pegel und noch einmal Pegel
Nicht einfach ist es, die Lautstärke zwischen Moderation und Musik auf ein kompatibles Maß zu bekommen. Ein Weg ist der, alle Bestandteile auf 100% zu normaliseren, bei der Moderation zwei Mal, einmal vor und einmal nach der Compression (Goldwave hat für diese Schritte schon alles eingebaut). Danach wird in n-Track die Moderation um ein bis anderthalb dB im Pegel zurück genommen, die Musik um ein halbes dB. Radiosender und Studios haben dafür andere Vorgaben, für den Bereich Rockmusik hat sich ein Pegelverhältnis Moderation/Musik von nahezu 1:1 bewährt. Bei Klassik sollte ebenfalls die Musik auf 100% normalisiert werden, jedoch die Moderation um vier bis sechs dB zurück genommen werden, da die Pegelweiten bei klassischer Musik anders sind. Probieren, probehören, justieren. Bei mir stellte es sich als optimal heraus, die Moderation auf maximalen Pegel zu ziehen und die Musik um -4 dB abzusenken. Das sind die obeigen 95%. Am Anfang eine unvermeidbare Geschichte, später weiß man, wie man die Pegelverhältnisse einstellen und erhören kann, denn sie hängen natürlich auch von der eigenen Stimme ab. Ein Hoch auf ein Paar zuverlässige Studio-Monitore am PC, damit bekommt man schon einen ganz zuverlässigen Eindruck, wie es beim Hörer später inetwa ankommt.
Immer böse: Latenz
Obwohl man denkt, dass Latenz, die Verzögerung zwischen Abschicken des Signals in die Audioschnittstelle und Ankunft am analogen Ausgang, bei Podcasts keine Rolle spielen sollte, liegt man falsch. Nicht für den Podcast später, sondern für das Arbeiten mit der Mischsoftware. Latenzen sind nämlich nicht konstant, sondern hängen von der Belegung der Puffer im Betriebssystem ab. Obwohl man beim Abmischen noch korrigiert, spielt die unterschiedliche Speichernutzung mit mehreren Spuren eine Rolle. Einfache Lösung: entweder nach einem ASIO-Treiber für die Audioschnittstelle suchen, oder einen unversellen ASIO-Treiber installieren, ASIO4All. Ist kostenlos erhältlich.
Was nichts kostet …
Wie professionell oder eben auch nicht es wird, hängt von den Investitionen ab. Sparen am Mikro ist die schlimmste Sünde, die man sich leisten kann. Doch die einen oder anderen zwanzig Euro für vernünftige Software zu verwenden, macht sich im Arbeiten und auch in den Ergebnissen bemerkbar. n-Track mag auf den ersten Blick verwirrend aussehen, aber es erlaubt mehr an Funktionen als eben Audacity. Auch mit den Softwareversionen von Steinberg, die bei Produkten wie Soundkarten oder USB-Audio-Schnittstellen dabei sind, kann man schon besser arbeiten als mit Audacity. Man sollte sich den Gedanken sparen, es würden mal eben etwas Software und Hardware zusammen gesteckt und fertig ist der Podcast. Dieses Verfahren zieht entsprechende Ergebnisse nach sich.
Text, Text und noch mal Text
Letzter Punkt sind die Moderationstexte selbst. Der Vorteil beim kompletten Ausformulieren ist, dass die Fehlerrate beim Einsprechen deutlich sinkt. Der Nachteil ist, dass es oft gerade am Anfang wie Vorlesen aus der Zeitung klingt. Auch das geht nicht bei den ersten drei Aufnahmen, man muss es lernen und üben, sich an den Klang der eigenen Stimme gewöhnen und auch Selbstkritik üben. Füllwörter, die man im schriftlichen Journalismus meidet, flapsige Begriffe und Alltagssprache sind in der Audio-Moderation unverzichtbar. Trotzdem darauf achten, dass in den Füllwörtern eine Varianz vorhanden und zu hören ist. Ein Podcast ist keine Nachrichtensendung, er soll unterhalten. Unterhaltung hat eine andere Sprache als Nachrichten. Auf der anderen Seite stark subjektive Wertungen und Urteile vermeiden. Die gehören auch nicht in einen Podcast, selbst in einen über Musik nicht.
Eine wenigstens etwas hilfreiche Maßnahme gegen zu leierigen Text ist Sprachtraining. Wer jedoch für den einen oder anderen Podcast nicht gleich eine Sprecherausbildung machen will, kann mit Büchern wie diesem anfangen. Keine Garantie, aber schon Tipps und wenige Regeln können helfen.
Zielgruppen-gerecht denken!
Und immer daran denken: der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.
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